Selbstbewusstsein und „ich bin“ haben mit Selbstwahrnehmung zu tun
Ich bin …
„Seid ihr gerade auch so platt?“, hab ich meine Follower Anfang November 2017 auf Facebook gefragt. „Vielleicht ist es einfach der nicht mehr zu übersehende Beginn der dunklen Jahreszeit. Mein Eindruck ist, dass momentan bei vielen Menschen der Akku leer ist. Ich bin jedenfalls in den letzten Tage ziemlich müde.“
Ja, das konnte ich (im Wortsinne) selbst-bewusst so formulieren. Sollte man das so sagen? Gute Frage. Ich bin ein Fan positiver Sprache, aber statt „ich bin platt“ zu sagen „ich fühle mich eingeladen, mich öfter auszuruhen“?
Das geht mir nicht so leicht über die Lippen. Es fühlt sich nicht stimmig an, denn ich fühle mich nicht wirklich eingeladen, mich auszuruhen, sondern ausgebremst bei dem, was ich tun will. Oder muss, wobei das mit dem Müssen ja auch wieder so ein Thema für sich ist.
Dein Selbstbewusstsein und dein Selbstwertgefühl hängen zusammen. „Selbstbewusstsein“ ist im wörtlichen Sinne dein Bewusstsein darüber, dass du bist. „Ich bin“ ist mehr als eine Selbstkundgabe. Wie du dieses Wissen für dich nutzt, erfährst du in diesem Beitrag. Aber lass uns erst einmal klären, was es mit diesem „Ich bin“ auf sich hat.
Selbstbewusstsein?
„Ich bin“ ist die einzige Sache, die wir ohne Zweifel wissen
„Ich bin“ ist etwas, das wir mit Bestimmtheit sagen können. Du nimmst dich wahr, hast ein Bewusstsein davon, dass es dich gibt. Du bist. Wer, was, wo, … das ist im Grunde offen.
Lass mich das kurz erklären. Vielleicht kennst du den ersten Grundsatz des Philosophen René Descartes: „Ich denke, also bin ich.“ Es ging Descartes dabei um Erkenntnisfähigkeit; um die Frage, was wir als Menschen überhaupt wissen können, unumstößlich.
Seine Erkenntnis lautet, dass wir zumindest existieren müssen, um etwas denken zu können – wenn wir also denken, sind wir auch. Es gibt uns. Alles andere ist offen.
Alles, was du über dich zu wissen glaubst, ist relativ
Wer sagt denn, dass wir nicht als Gehirne in irgendwelchen Tanks schwimmen? Dass das, was wir für unser Leben halten, nicht nur eine Projektion ist? Wahrscheinlich kennst du den Film „Matrix“, der ebenfalls mit dieser Idee umgeht.
(Später kamen dann andere Philosophen und versuchten zu beweisen, dass Descartes falsch gelegen hat, denn „ich bin“ ist beispielsweise nicht dasselbe wie „es gibt etwas Denkendes“, aber ich möchte mit meinem heutigen Beitrag auf etwas anderes hinaus und belasse es an der Stelle einfach dabei.)
Philosophischer Ausflug zum Thema Selbstbewusstsein beendet. Was du aber auf jeden Fall für dich mitnehmen solltest:
Du entscheidest mit deinen Worten über dein Sein und Selbstbewusstsein
Was folgt daraus für das praktische Leben? Vieles, aber an der Stelle: „Ich bin“ ist eine sehr mächtige Wortkombination. Denn das, was wir anfügen, ist für uns selbst wahr. Wir vermitteln nicht nur anderen Menschen Information über uns, wenn wir „ich bin“ sagen, wir definieren uns damit auch für uns selbst.
Ich bin schön. Ich bin erfolgreich. Ich bin klug. Sag‘ das mal zu deinem Spiegelbild. Und? Komisch? Ich bin nicht ganz hässlich. Ich habe schon das eine oder andere erreicht. Ganz blöd bin ich nicht. Funktioniert das leichter? Wenn ja, warum eigentlich?
Sprache ist ein mächtiges Werkzeug
Weil, behaupte ich, wir damit weniger Angriffsfläche bieten und weniger im Licht und in der Verantwortung stehen. Auch vor uns selbst. Vielleicht findet mein Gegenüber mich ja nicht schön und natürlich weiß ich auch ganz genau Bescheid über die Cellulite an meinem Hintern.
Erfolgreich, na ja, also was heißt eigentlich erfolgreich – wenn man als Selbstständige behauptet, erfolgreich zu sein, dann muss man ja schon gut Geld und viele Aufträge und herausragende Kompetenz vorzuweisen haben, nicht?
Das Gegenüber könnte ja denken ich sei arrogant, wenn ich sage, ich bin erfolgreich. Und ich weiß ja auch selbst ganz gut, dass ich echt nicht sooo viel Geld habe. Na ja und klug, also KLUG, hmmm, in Mathe war ich ja jetzt echt nie so der Checker und über die Pflege von verirrten Walkühen weiß ich auch nicht wirklich Bescheid.
Da kann ich ja nicht sagen, hier, ich bin klug. Lieber ein paar relativierende Füllwörter mehr, ein paar sprachliche Weichmacher von „etwas“ über „vielleicht“ bis „eventuell“.
Dein Selbstbewusstsein und dein Selbstwert zeigen sich in deinem Vokabular
Menschen, die an einer Depression leiden, verwenden nachgewiesenermaßen mehr Wörter, die negative Emotionen vermitteln. Vor allem Adjektive und Adverbien. Außerdem nutzen sie im Vergleich mit Nicht-Depressiven deutlich mehr Pronomen der ersten Person, also „ich“, „mich“ und so weiter.
Daraus kann man schlussfolgern, dass depressive Menschen eher auf sich fokussiert sind. Sie sprechen viel seltener Pronomen der zweiten und dritten Person wie „ihr“ oder „sie“ aus – fühlen sie sich also weniger mit anderen Menschen in Verbindung?
Auch der überproportional häufige Gebrauch von absolutistischen Begriffen wie „immer“, „nie“, „total“ oder „komplett“ fällt in Texten und mündlichen Erzählungen psychisch beeinträchtigter Leute auf.
Forscher haben herausgefunden, dass in Foren rund ums Thema Angst und Depressionen doppelt so viele absolutistische Wörter zu finden waren wie in Foren zu anderen Themen. Abgesehen von solchen Communitys, in denen es um Suizidgedanken geht: Da ist der Anteil noch höher – 80 Prozent.
Der Hang zu absolutistischem Denken, der sich in einer häufigen Verwendung solcher Begriffe ausdrückt, ist relativ typisch für Menschen, die Depressionen erlebt haben. Diese Neigung ist, wie Psychologe Mohammad Al-Mosaiwi in seinem Artikel über die Studie schlussfolgert,
„[…] ein Zeichen dafür, dass dieses Denken die Ursachen für depressive Schübe beeinflusst. Der gleiche Effekt lässt sich beim Gebrauch von Pronomen beobachten, nicht aber bei den Wörtern zu negativen Emotionen.“
Was nun Henne oder Ei ist, kann natürlich niemand mit Gewissheit sagen. Sprechen depressive Menschen anders, weil sie zu Depressionen neigen, oder neigen sie auch deshalb zu Depressionen, weil ihre Sprache das begünstigt?
Was hingegen vollkommen klar sein dürfte: Wenn du dich selbst verbal fertigmachst und Dinge für unveränderlich und absolut hältst, trägt das nicht zu einem positiven Selbstbild / Selbstwert / Selbstbewusstsein bei.
Sei dir selbst eine wirklich gute Freundin und sprich freundlich, ermutigend und positiv mit dir. Nicht gekünstelt, sondern ehrlich: „Das hab ich wirklich gut gemacht.“ Oder: „Ich war fleißig heute“. Oder, um ein Zitat meines Vaters herzunehmen, der für ein paar Wochen die Idee hatte, uns einmal die Woche zu bekochen: „Ich will mich ja nicht selbst loben, aber das ist richtig lecker!“
Doch! Lob dich selbst! Nimm Komplimente und Lob von anderen an, sag einfach „Danke, das freut mich!“ – und dosiere die Absolutismen sparsam. Drei weitere Tipps für mehr Selbstbewusstsein im Business hab ich in einem Video am Ende des Beitrags für dich zusammengestellt. Darin findest du auch eine Affirmation, die dich dabei unterstützt, mit mehr Selbstbewusstsein im Leben zu stehen.
Ich bin schön. Ich bin erfolgreich. Ich bin klug und selbstbewusst.
Das kann ich doch nicht sagen. Oder? Doch. Ich sollte es sogar unbedingt. Wir definieren für uns selbst, wer und was wir sind, indem wir sagen: ICH BIN. Sowohl positiv wie auch negativ. Wir definieren damit aber ein Stück weit auch, wie andere uns sehen. Denn wer, wenn nicht wir selbst, könnten eine wahre Aussage darüber machen, wer wir sind?
Deshalb lohnt es sich, darauf zu achten, was man so zu sein behauptet. Ich habe keine Deutungshoheit über das, wie andere mich wahrnehmen. Aber ich habe in der Hand, was ich über mich äußere. Darum geht es übrigens auch beim Personal Branding, denn die Kreation einer Marke ist nichts anderes als der Versuch, das zu lenken.
Es geht darum, das zu definieren, was wir uns als Meinung über uns als Marke wünschen. Zunächst für uns selbst, um dann mit neuer Klarheit damit nach Außen zu gehen (wenn du dir dabei Unterstützung wünschst, ist mein Onlinekurs „Deine goldrichtige Storymarke“ einen Blick wert).

Du kannst dein Selbstbewusstsein sprachlich unterstützen
Du bist erfolgreich, klug und wundervoll, weil du es sagst. Ein gutes Beispiel dafür, wie das mit den (Selbst-)Definitionen funktioniert:
„Was liebst du daran, eine erfolgreiche Frau zu sein?“, wurde ich in einem Fragebogen gefragt. Und selbstverständlich weiß ich da eine Antwort.
Ich stelle gar nicht infrage, eine erfolgreiche Selbstständige zu sein, denn ich bin ja nachweislich eine erfolgreiche Frau, wenn mein Gegenüber mir so eine Frage stellt. Logisch!
Was ich an dieser Stelle unbedingt festhalten möchte: Wenn du „Ich bin …“ erst mal klar formuliert hast, wird es schon allein dadurch Teil der Wirklichkeit.
Hier kommt abschließend das versprochene Video. Und danach wüsste ich gerne von dir: Was bist du? Lass es mich in den Kommentaren wissen! :)
Neueste Kommentare